Notizbuch auf Schreibtisch

Schreiben Sie mal Ihr Job-Profil auf!

Es gibt manchmal sehr spannende Momente beim Job-Coaching: Vor einiger Zeit rief mich ein Leser dieses Blogs an, der in einem Arbeitsmarktprojekt in einer 1:1-Situation beraten wurde.

Die Aufgabe, die der Jobcoach zu Beginn der Beratung stellte, lautete: „Schreiben Sie mal Ihr Job-Profil auf!“ Das ist ungefähr so, als wenn einem der Arzt in der Sprechstunde sagt: „Bitte schreiben Sie mal Ihre Diagnose auf!“

Nach diesem Gespräch wandte sich der zu Beratende an mich. Ich hätte doch Material zu solchen Fragen und wie er denn so ein Job-Profil erstellen könne. Natürlich haben wir da eine Lösung gefunden, aber die Situation war schon etwas surreal. Wie sollen Jobsuchende ohne Anleitung und ohne Hilfmittel, z. B. in Form von auszufüllenden Arbeitsblättern zu Kompetenzen, ein aussagefähiges Profiling erstellen?

Wo ich nun schon einmal dabei bin, gebe ich Ihnen einen ersten Einblick in die Erstellung eines Job-Profils. Dazu gehören meiner Ansicht nach:

  • eine Erhebung der Grundfähigkeiten
  • eine Feststellung der Kenntnisse, die durch Ausbildung, Berufstätigkeit und eigene Weiterbildung erworben wurden
  • ein Werteprofil, das die Frage beantwortet: „Welche Unternehmen passen zu mir?“

Hier der Link zum Video, in dem diese Arbeitsblätter bearbeitet werden: https://www.youtube.com/watch?v=q83UO7ovwuM

  • zum Profil gehört außerdem die physische Eignung (überprüft mit einer arbeitsmedizinischen Untersuchung)

Nach Stefan Gerth von die-bewerbungsschreiber.de fließen in ein BewerberInnenprofil folgende Punkte mit ein:

  • was Sie können
  • was Sie bereits geleistet haben
  • welches Potenzial Sie besitzen
  • was Sie für ein Unternehmen zu leisten imstande sind

Bei der Profilerstellung sollten natürlich auch Sprachkenntnisse, PC-Kenntnisse, Führerscheine, Fähigkeiten aus ehrenamtlicher Arbeit, Familienarbeit und intensiv ausgeübte Hobbys mit einbezogen werden.

Eine solche Profilerstellung führt zu einer qualifizierten Zielgruppenermittlung, die sich an der EKS-Strategie (hier der Link) orientiert. Damit können Sie herausfinden, welches Angebot Arbeitssuchende einem Arbeitgeber machen können. Und dieses Angebot bildet den Kern aller Vermittlungsaktivitäten.

 

 

P.S. Die Aufgabe vom Anfang des Artikels erinnert mich übrigens an die Frage, die mir ein Berater vor Jahren einmal stellte: „Herr Kröger, was können wir denn tun? Schlagen Sie doch was vor!“ Hier der Link zu dieser Geschichte.

Die richtigen Fragen beantworten!

Manchmal stellen zu Beratende im Jobcoaching die „falschen“ Fragen. Das sind Fragen, die bei der Jobsuche nicht weiter helfen, weil sie auf unrealistischen Vorstellungen aufbauen, zum Beispiel: „Wie kann ich ohne Ausbildung 5.000,-€ netto verdienen?“

Andere haben eine gute Ausbildung und schließen von vornherein bestimmte Branchen, Umzug oder Zeitarbeit aus, sie fragen: „Haben Sie nicht einen Job für mich, genauso wie ich ihn vorher hatte?“ Und manche können ihre berufliche Richtung nicht präzise benennen, ihre Fragen enden mit „…einfach irgendeinen Job.“

Wie falsche Fragen in die Irre führen können, sehen Sie an folgendem Beispiel: Der Unternehmensberater Mike Kami arbeitete mit einer Gruppe von Coca-Cola-Managern an ihrem Plan, eine neue Cola einzuführen. Die Unternehmensleiter hatten Mike gesagt, die Frage wäre, wie man den Geschmack der Cola noch verbessern könnte. Sie führten mehrere Geschmackstests durch, fanden eine neue Formel, die besser schmeckte als die ursprüngliche Coca-Cola und führten kurz darauf die neue Cola ein. Und dann gerieten sie in eines der größten Marketingdebakel aller Zeiten. Sie baten Mike zu einer weiteren Planungssitzung. „Sie haben bestimmt die falsche Frage gestellt“, sagte Mike zu ihnen. Sie fanden heraus, dass die Frage „Wie kann Coca-Cola noch besser schmecken?“ nicht zielführend war. Viel wichtiger waren Fragen wie: Warum greifen Kunden zu unserem Produkt? Was unterscheidet uns von anderen Erfrischungsgetränken? Und die Kunden liebten nun mal den speziellen Coca-Cola Geschmack, der sich von anderen Getränken abhob. Die sofortige Rückkehr zum vertrauten Geschmack ermöglichte es der Coca-Cola-Company, sich nach diesem Rückschlag recht schnell wieder zu erholen. (nach Bob Buford: Halbzeit)

Ihre Aufgabe als Jobcoach in der beruflichen Orientierung ist es, zusammen mit dem zu Beratenden die „richtigen“ Fragen zu finden und dann zu beantworten. Passendere Fragen sind zum Beispiel: Was habe ich für ein Potenzial? Welche Möglichkeiten gibt es? Wer könnte mein Angebot brauchen? Ein intensives Profiling mit den richtigen Tools ist deshalb unverzichtbar. Sie können so Fähigkeiten und Kenntnisse des zu Beratenden präzise identifizieren und gemeinsam herausfinden, was für ein Angebot er machen kann.

Mehr dazu im folgendem Blogartikel: Basiswissen für Jobcoaches

 

Schlange vor dem Arbeitsamt

Langzeitarbeitslose gehören in den Mittelpunkt!

Jobcoaches und TrainerInnen in Arbeitsmarktprojekten wissen es schon lange, jetzt scheint es auch in der Gesellschaft anzukommen: Langzeitarbeitslosigkeit ist ein ernstzunehmendes Problem, das noch viel zu wenig im Fokus steht.

Eine große Zahl von Menschen ist seit vielen Jahren langzeitarbeitslos. Laut einem Zeit-Artikel liegt die Anzahl bei über einer Million. Das Deutsche Ärzteblatt schreibt dazu: „Große Metaanalysen und systematische Reviews zeigen, dass Langzeitarbeitslose ein mindestens verdoppeltes Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere Depression und Angststörungen, haben gegenüber erwerbstätigen Personen. Die Mortalität ist um das 1,6-fache erhöht. Arbeitslosigkeit scheint nicht nur Folge (Selektionseffekt), sondern auch Ursache (Kausalitätseffekt) für Erkrankungen zu sein.“ (Hervorhebungen von mir)

Dauerarbeitslosigkeit erzeugt die verschiedensten Probleme. Sie macht perspektivlos und unzufrieden und wirkt sich nicht nur negativ auf den Körper und die Psyche, sondern auch auf das Umfeld der Arbeitslosen aus. So kommt es häufig zu vielfältigen familiären Problemen.

Langzeitarbeitslose müssen wieder in den Fokus rücken
Es sollte also ein wichtiges Ziel von Politik und Behörden sein, Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszuholen. Doch lange wurde zu wenig gemacht. Der Spiegel stellt in dem Artikel „Die Vergessenen des Arbeitsmarktes“ fest: „Die Politik hat sich lange auf den Abbau der relativ kurzen Arbeitslosigkeit konzentriert. Langzeitarbeitslose hat sie hingegen vernachlässigt“. Gut, dass sich der Wind nun dreht. Der Leiter der Agentur für Arbeit, Detlef Scheele, will sich für Langzeitarbeitslose stark machen und wird in einem FAZ-Artikel wie folgt zitiert: “ ‚Wir haben einerseits eine so gute Lage auf dem Arbeitsmarkt, wie ich sie seit der Wiedervereinigung nicht erlebt habe.‘ Und trotzdem gebe es Menschen in Deutschland, die sich trotz dieser Entwicklung subjektiv abgehängt fühlten. Ziel müsse es sein, beides zusammenzubringen und niemanden zurückzulassen – schon wegen des Fachkräftebedarfs, aber auch aus sozialpolitischen Erwägungen.“

Heinrich Alt, ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Agentur für Arbeit, hat ein Gutachten veröffentlicht, in dem er fordert “ vorzugsweise Langzeitarbeitslosen… attraktive und zielgenaue Maßnahmen anzubieten.“ Auch die Diskussion um das Solidarische Grundeinkommen“ rückt die Gruppe der Langzeitarbeitslosen in den Fokus. Mehr Arbeitsangebote statt reiner Geldzahlungen sind hier die Überlegungen.

Mein Fazit: Es bewegt sich was! Und das ist gut, es muss sich was tun. Wir brauchen mehr zielgenaue Beratung, mehr attraktive Angebote, mehr kreative Projekte und mehr Engagement der Politik in diesem Bereich! Langzeitarbeitslose gehören nicht schamhaft in irgendein Projekt abgeschoben, sondern in die Mitte der Gesellschaft und vielleicht auch mal nach langen Jahren wieder in den Mittelpunkt.


Weitere Links:

Arbeitslosigkeit macht krank!

Arbeitslos bleiben, eine Alternative?