Gerhard Winkler über Bewerbungen!

Ob Überflieger, Affirmativer oder Nervensäge – Gerhard Winkler, einer der bekanntesten Bewerbungstrainer Deutschlands, kennt jeden dieser Bewerbertypen. Ich hatte die Gelegenheit, ihn zu interviewen – viel Spaß beim Lesen!

Welche Fehler werden bei Bewerbungen am häufigsten gemacht?
Ich ordne die Fehler den Bewerbertypen zu: Der Bequeme übernimmt Pro-Forma-Vorlagen, anstatt ein adressaten- und jobzielgenaues Leistungsangebot zu formulieren. Die übereifrige Nervensäge kippt dem Bewerber den unsortierten Inhalt eines Leitz-Ordners auf den Schreibtisch oder er verschickt eine 15-Megabyte-Mail-Bombe. Der authentische Bewerber zählt penibel auf, was alles nicht für ihn spricht. Der Affirmative beteuert, schmeichelt, schmust sich ein und erklärt beredt seine besten Absichten. Und da gibt es noch den Überflieger. Der schwadroniert so abgehoben, dass er eigentlich nur für Betriebsansprachen und von ihm selbst moderierte Talkrunden in der Teeküche taugt.

Wie bringe ich meine Qualifikationen und  Erfahrungen richtig unter?
Wie man es macht, ist die einfachste Sache der Welt: Man beschränkt sich strikt auf Fakten. Bewerber halten Fakten für banal. Die Personaler tragen zu diesem Missverständnis noch bei, weil sie die Jobs in ihren Offerten wie Hausverkäufer anpreisen. Personaler machen Wind und große Worte. Bewerber glauben daher, sie müssten gleichfalls ihre Backen aufblasen.
Namen, Zahlen, Orte, konkrete Aufgaben, Leistungen, Ergebnisse, Erfolge: diese Angaben bringen Bewerber ins Interview. Man versammelt das auf bis zu drei Seiten im Lebenslauf und auf einer Briefseite (rund 2000 Anschläge inklusive Leerzeichen) im Anschreiben. Ein Lebenslauf darf länger sein, wenn er beispielsweise noch eine Publikationsliste hat. Beim telefonischen Kontakten verdichtet man seinen Jobclaim auf zwei bis drei Sätze. In der Bewerberstory dampft man seinen Werdegang auf die Höhepunkte ein.

Was sind die drei wichtigsten Regeln für erfolgreiche Bewerbungsunterlagen?
Wenn ich einem Jobfinder nur drei Sätze zu sagen hätte, dann wäre das:

  1. Arbeite dem Recruiter zu und entlaste ihn in seiner Arbeit.
  2. Wirb so viel Vertrauen ein, dass man dir einen Vertrauensvorschuss gern gibt.
  3. Bewerben ist die sprachliche Vermittlung einer Jobeignung, darum formuliere dein eigenes Leistungsangebot in deinen Worten.

Wie gehe ich am besten mit einer Reihe von Absagen um?
Immer selbstkritisch prüfen, ob es ein Muster gibt. Falls ja, die Ausschlusskriterien aufspüren und neutralisieren.
Absagen nicht persönlich nehmen – es geht nur um einen Deal, und nicht jeder Deal im Geschäftsleben kommt auch zustande.
Wenn ein berufserfahrener Bewerber nach drei bis spätestens sechs Monaten keine Belege dafür hat, dass Jobanbieter ihn gerne hätten, aber nur zur Zeit nicht nehmen können, dann überdenkt er sein Leistungsangebot am besten sehr, sehr gründlich.

Wie kann ich Bewerbungen trainieren?
Schriftliche Bewerbung ist Praxis. Gute Praxis folgt Leitlinien. Meine Richtlinien für Anschreiben und Lebenslauf sind absolut bekannt: Das Anschreiben ist ein Briefing und kein Brief. Der Lebenslauf ist eine Leistungsbilanz in Form eines Faktenblatts.
Die Bewerberstory trainiert man so: einfach sich seine Geschichte beim Joggen oder Spazierengehen mehrfach selber erzählen. Aufpassen, dass man dabei nicht anderen Verkehrsteilnehmern in die Quere kommt!
Jedes einzelne Jobinterview will vorbereitet sein: aus dem eigenen Lebenslauf einen Fragenkatalog mit 50 bis 80 Fragen ableiten und durcharbeiten. Ebenso die Standardfragen durchgehen. Verstehensarbeit in Bezug auf die Organisation, ihren Stand, ihre Ziele und die anstehende Aufgabe leisten. Dann dem Jobanbieter den Job erklären.

Welche „Killerphrasen“ sollte ich auf jeden Fall vermeiden?
Beim Anschreiben: jeden Satz, den man aus Web- oder anderen Vorlagen übernimmt.
In der Gesprächs- und Verhandlungsphase: Absichtserklärungen, fromme Wünsche, Belehrungen, Ich-bin-Aussagen und alle Sätze, in denen „leider“, „nicht“ oder „kein“ vorkommen.

Welche Tipps können Sie unseren Lesern noch geben?

  • Handle als Leistungsanbieter
  • Arbeite zu
  • Verstehe deinen Job
  • Sprich nicht schlecht über dich oder andere
  • Kleb an den Fakten
  • Vermeide Ich-bin-Aussagen
  • Beweise deine Loyalität
  • Wirb nicht um Verständnis, wirb um Vertrauen
  • Setze Fürsprecher und Agenten ein
  • Bleib dran

Herzlichen Dank, Herr Winkler für das Interview!

Link zur Webseite von Gerhard Winkler: https://www.jova-nova.com/

Kompass

Kurswechsel im Beruf 50Plus

Bei der Arbeit an Material für Bildungsträger zum Thema 50Plus habe ich mich natürlich an Monika Birkners Standardwerk „Kurswechsel im Beruf“ (mittlerweile in der 4. Auflage erschienen) erinnert und möchte dieses Buch hier vorstellen:

Monika Birkner bietet eine gute Übersicht über Neuorientierung im Beruf gerade auch für Bewerber und Bewerberinnen in der Lebensmitte.

Folgende Fragen werden beantwortet:

  • Wohin zieht es mich?
  • Wie überwinde ich die Ängste vor dem Verlust von Sicherheiten?
  • Wie kann ich den Übergang gestalten?
  • Wie kann ich Neues beginnen?
  • Anstellung oder Selbständigkeit?
  • Kann ich meinen bisherigen Job anders gestalten?
  • Kann ich meinen eigenen Arbeitsmarkt erschaffen?
  • Wie kann ich authentisch sein?

Psychologisch einfühlsam geht sie auf verschiedene Befürchtungen ein, ermutigt zu einer realistischen Bestandsaufnahme und gibt viele Hinweise zu erfolgreichem Selbstmarketing. Das Buch regt zu ganz persönlichen Fragestellungen an und zeigt dem Leser, der sich beruflich neu orientieren muss, alternative und weiterführende Sichtweisen auf. Es funktioniert ähnlich wie ein persönlicher Gesprächspartner, es ist realistisch und gleichzeitig motivierend geschrieben. Einer der Untertitel fordert dann auch auf: „Erfolgreicher sein, sich nicht mehr verbiegen“.

Monika Birkner, Kurswechsel im Beruf: Neuorientierung in der Lebensmitte. Walhalla U. Praetoria, 4. Auflage. (20. August 2012), Broschiert: 224 Seiten

ISBN-10: 380293993X

ISBN-13: 978-3802939938

Aktualisierung vom 28.10.2021: Arbeitsblätter und Übungen für 50Plus-Arbeitsmarktprojekte finden Sie auch da „Es gibt Arbeit! Materialbuch für Arbeitsmarktprojekte“ hier der Link

Werkzeuge

Setzen Sie Ihr Potenzial ein! – 7 Strategien für den Beruf

Unter den vielen Tipps für den Beruf  habe ich sieben Strategien herausgesucht, die meiner Erfahrung nach wirklich funktionieren. Hier der Link zum Artikel. Wie versprochen  beschreibe ich nun den ersten Baustein: Setzen Sie Ihr Potenzial ein!

Das eigene Potenzial besteht aus Ihren Fähigkeiten, Ihren Kenntnissen, Ihrem Persönlichkeitsprofil und Ihrer körperlichen Eignung. Diese Faktoren sollten Sie gut kennen. Am besten, Sie nehmen sich Zeit, die einzelnen Faktoren zu bestimmen. Ein Video dazu finden Sie hier.

Die vier Faktoren bilden zusammengefasst Ihr Job-Profil.
Das Job-Profil ist der Grundbaustein, auf dem Sie aufbauen können. Es fasst Ihre Stärken zusammen und bildet für Sie eine Argumentationsgrundlage. Wann immer Sie sich bewerben oder in einem Gespräch von sich überzeugen müssen, denken Sie dabei an Ihr Job-Profil. Was können Sie? Welche Ausbildung haben Sie? Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt? Welche charakterlichen oder körperlichen Eigenschaften sind besonders hilfreich in diesem Job?

Natürlich werden Sie im Lauf der Zeit Ihr Job-Profil weiter ausbauen und z.B. Ihre Fähigkeiten weiter trainieren. Für professionelle Musiker können das z.B. Tausende von Stunden Übung bedeuten. Neben dem gezielten Training Ihres Potentials, ist es wichtig, dass Sie ihr Potenzial auch überall, wo es geht, einsetzen. So bleiben Sie am Ball und sammeln wichtige Referenzen. Wenn Sie gerade keinen festen Job haben, versuchen Sie es mit Praktika, ehrenamtlicher Arbeit, befristeter Beschäftigung, Zeitarbeit oder freiberuflicher Tätigkeit … Die Liste der Einsatzmöglichkeiten für Ihr Potenzial ist lang und Ihre Chancen steigen durch Nutzung von Möglichkeiten.  Seien Sie sich sicher: Ihr Potenzial ist größer als Sie vielleicht denken. Verschaffen Sie sich einen guten Überblick über Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse, lernen Sie Ihr Jobprofil zu kommunizieren und gehen Sie auf Möglichkeiten zu!