Hat jeder, der Ihr Buch liest, in 90 Tagen einen Job?

Ich hatte wieder die Möglichkeit, einen bekannten Fachmann für Berufsstrategie und Bewerbung zu interviewen: Hans Georg Willmann, Autor von „In 90 Tagen aus der Arbeitslosigkeit“ sprach mit mir über den langem Atem, den man bei der Jobsuche haben muss und über die richtige Vorbereitung.

1. Hat jeder, der Ihr Buch liest, in 90 Tagen einen Job?

Nein, da muss ich die Kirche im Dorf lassen. Mein Buch gibt eine solide Anleitung, wie man seine Chancen auf einen neuen Job deutlich erhöhen kann. Ein individuelles Job-Coaching kann es jedoch nicht ersetzen. Menschen, die zu mir ins Coaching kommen, können in der Regel in 90 Tagen einen neuen Job realisieren – aber natürlich hängt das stark von der jeweiligen Ausgangslage und den Vorstellungen ab.

2. Wie viele Stunden Arbeit in der Woche muss ich für die Jobsuche einsetzen?

Die Jobsuche ist ein Fulltime-Job. Wenn jemand konsequent und systematisch, parallel, schnell und viel macht, heißt das: mindestens 4 Stunden am Tag aktiv sein. Je nach Aktionsumfang, z. B. der Besuch von Jobmessen, Auffrischungskurse in EDV oder Sprachen etc., können daraus auch schnell bis zu 8 Stunden Aktivität am Tag werden.

3. Wie kann ich meine Motivation nach oben bringen?

Das ist eine wichtige Frage! Denn anders als bei der täglichen Erwerbsarbeit, bei der man am Ende des Tages zumindest das Erfolgserlebnis hat, etwas geschafft zu haben, ist die Bewerbungsarbeit erst dann zu Ende, wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist. Das kann sich länger hinziehen, und auch 3 Monate sind eine lange Zeit. Die Motivationskurve geht dabei erfahrungsgemäß auf und ab. Es hilft seine Motivation aufrecht zu erhalten, wenn man sich a) vor Augen führt, dass es zwar länger dauern kann, aber dass „sich bewerben“ eine endliche Aufgabe ist, b) dass Absagen zum „Spiel“ dazu gehören und c) sich zwischendurch bewusst immer wieder etwas zu gönnen, einen Spaziergang in der Sonne, einen Kinobesuch oder etwas Leckeres kochen. Wichtig ist auch das soziale Umfeld. Wer sich in der Familie oder ehrenamtlich ein wenig betätigt, erhält durch sein Umfeld Anerkennung und Wertschätzung, und das ist gut für die Motivation.

4. Wie sollte meine Tagesgestaltung sein?

Strukturiert! Stehen Sie jeden Morgen auf, als ob Sie zur Arbeit gehen, gehen Sie jeden Abend zu Bett, als ob Sie am nächsten Morgen zur Arbeit gehen. Teilen Sie sich den Vormittag und den Nachmittag ein – wie Sie es bei der Erwerbsarbeit auch tun. Erfahrungsgemäß eignet sich der Vormittag gut, um bei potenziellen Arbeitgebern anzurufen. Diese müssen natürlich zuvor gut recherchiert worden sein, d. h. am Nachmittag kann man sich im Internet über die Firmen schlau machen, die man am Folgetag morgens anrufen wird. Sobald das Telefonat geführt ist und die Firma Interesse an den Bewerbungsunterlagen hat, sollten diese fertiggestellt und versandt werden.

5. Wie kann ich Arbeitspläne aufstellen?

„Was“ mache ich „wann“, „wie lange“ und „wie“? Das sind die vier „W-Fragen“ für einen Arbeitsplan. Wichtig ist noch zu priorisieren, d. h. beim „Was“ zu schauen, was am Wichtigsten ist. Z. B. sollten ein Anruf bei einer Firma und das Versenden der Bewerbungsunterlagen immer in zeitlicher Nähe stehen. Also nicht erst 100 Firmen anrufen und drei Wochen später die Bewerbungsunterlagen abschicken.

6. Und wenn ich mich nicht an die Pläne halte?

Gute Frage! Das ist menschlich. Wir nehmen uns ja in der Regel immer viel vor, die Umsetzung unserer Absicht in die Tat bleibt aber häufig auf der Strecke. Da hilft es, a) sich Unterstützung zu suchen, d. h. jemanden zu haben, der nachfragt, ob man dies oder jenes gemacht hat, b) Ablenkungen auszublenden, d. h. sich zumindest für eine gewisse Zeit auf die Bewerbungsarbeit zu konzentrieren und c) sich selbst für getane Bewerbungsarbeit zu belohnen, d. h. sich nach einem schwierigen Anruf bei der Firma und dem Versenden der Bewerbung etwas zu gönnen.

7. Hat das nicht auch alles mit Glück zu tun?

Glück ist, im richtigen Moment gut vorbereitet zu sein! Wenn ich arbeitslos werde und mich davor nicht darum gekümmert habe, „startklar“ fürs Bewerben zu sein (Lebenslauf auf den neusten Stand bringen, neues Bewerbungsfoto anfertigen lassen, alle Zeugnisse sauber eingescannt haben, überlegt haben, was man wo arbeiten will und kann), bin ich nicht vorbereitet, wenn ich eine Stellenanzeige finde. Wenn ich nicht weiß, wer ich bin und was ich kann und was ich will, bin ich nicht vorbereitet, wenn ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werde. „Glück“ wird überschätzt, oder vielleicht besser gesagt, dem Glück wird zu viel aufgelastet, für das man selbst nicht verantwortlich sein will.

8. Welche Fehler werden häufig gemacht?

Viel zu wenige Bewerbungen! Viel zu unspezifische Bewerbungen! Die Bewerbungsstandards der Firmen werden zu selten eingehalten! Darüber hinaus: Über- oder Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten! Überzogene Vorstellungen bezüglich des Gehalts! Generell unrealistische Vorstellungen, was auf dem Arbeitsmarkt zu realisieren ist.

9. Welche Tipps können Sie noch geben?

a) Sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten, bedeutet nicht: Ich verliere nie meinen Job und wenn doch, dann habe ich persönlich versagt, sondern schlicht: Ich bin im Stande, einen neuen Job zu finden.

b) Auch wenn Sie in einem festen Job sind, halten Sie sich immer „startklar“ fürs Bewerben. Der Arbeitsmarkt im 21. Jahrhundert hat sich massiv verändert. Beschäftigungsverhältnisse sind manchmal das Papier nicht wert, auf dem Sie unterschrieben haben. Da ist es gut, immer wieder einmal die Marktwitterung aufzunehmen und zu schauen, welche Firmen welche Leute suchen, seine Bewerbungsunterlagen auf Stand zu halten und vor allem zu wissen, wer man ist, was man kann und was man will.

c) Wenn es alleine mit der Jobsuche längere Zeit nicht klappt, dann lieber einen guten Jobcoach aufsuchen, als monatelang herumzudoktern und zu verbittern. Ich erlebe immer wieder verbitterte Menschen, die jahrelang nach einem Job suchen, Hunderte von Bewerbungen schreiben und zu dem Schluss kommen, dass die Welt böse ist und das alles nichts bringt. Das muss nicht sein. Alleine dreht man sich oft im Kreis und betoniert die immer gleichen (Bewerbungs-)Fehler. Ein neutraler und professioneller Coach (der etwas von seinem Job versteht) kann da recht zügig die Knackpunkte aufdecken und helfen!

Gerhard Winkler über Bewerbungen!

Ob Überflieger, Affirmativer oder Nervensäge – Gerhard Winkler, einer der bekanntesten Bewerbungstrainer Deutschlands, kennt jeden dieser Bewerbertypen. Ich hatte die Gelegenheit, ihn zu interviewen – viel Spaß beim Lesen!

Welche Fehler werden bei Bewerbungen am häufigsten gemacht?
Ich ordne die Fehler den Bewerbertypen zu: Der Bequeme übernimmt Pro-Forma-Vorlagen, anstatt ein adressaten- und jobzielgenaues Leistungsangebot zu formulieren. Die übereifrige Nervensäge kippt dem Bewerber den unsortierten Inhalt eines Leitz-Ordners auf den Schreibtisch oder er verschickt eine 15-Megabyte-Mail-Bombe. Der authentische Bewerber zählt penibel auf, was alles nicht für ihn spricht. Der Affirmative beteuert, schmeichelt, schmust sich ein und erklärt beredt seine besten Absichten. Und da gibt es noch den Überflieger. Der schwadroniert so abgehoben, dass er eigentlich nur für Betriebsansprachen und von ihm selbst moderierte Talkrunden in der Teeküche taugt.

Wie bringe ich meine Qualifikationen und  Erfahrungen richtig unter?
Wie man es macht, ist die einfachste Sache der Welt: Man beschränkt sich strikt auf Fakten. Bewerber halten Fakten für banal. Die Personaler tragen zu diesem Missverständnis noch bei, weil sie die Jobs in ihren Offerten wie Hausverkäufer anpreisen. Personaler machen Wind und große Worte. Bewerber glauben daher, sie müssten gleichfalls ihre Backen aufblasen.
Namen, Zahlen, Orte, konkrete Aufgaben, Leistungen, Ergebnisse, Erfolge: diese Angaben bringen Bewerber ins Interview. Man versammelt das auf bis zu drei Seiten im Lebenslauf und auf einer Briefseite (rund 2000 Anschläge inklusive Leerzeichen) im Anschreiben. Ein Lebenslauf darf länger sein, wenn er beispielsweise noch eine Publikationsliste hat. Beim telefonischen Kontakten verdichtet man seinen Jobclaim auf zwei bis drei Sätze. In der Bewerberstory dampft man seinen Werdegang auf die Höhepunkte ein.

Was sind die drei wichtigsten Regeln für erfolgreiche Bewerbungsunterlagen?
Wenn ich einem Jobfinder nur drei Sätze zu sagen hätte, dann wäre das:

  1. Arbeite dem Recruiter zu und entlaste ihn in seiner Arbeit.
  2. Wirb so viel Vertrauen ein, dass man dir einen Vertrauensvorschuss gern gibt.
  3. Bewerben ist die sprachliche Vermittlung einer Jobeignung, darum formuliere dein eigenes Leistungsangebot in deinen Worten.

Wie gehe ich am besten mit einer Reihe von Absagen um?
Immer selbstkritisch prüfen, ob es ein Muster gibt. Falls ja, die Ausschlusskriterien aufspüren und neutralisieren.
Absagen nicht persönlich nehmen – es geht nur um einen Deal, und nicht jeder Deal im Geschäftsleben kommt auch zustande.
Wenn ein berufserfahrener Bewerber nach drei bis spätestens sechs Monaten keine Belege dafür hat, dass Jobanbieter ihn gerne hätten, aber nur zur Zeit nicht nehmen können, dann überdenkt er sein Leistungsangebot am besten sehr, sehr gründlich.

Wie kann ich Bewerbungen trainieren?
Schriftliche Bewerbung ist Praxis. Gute Praxis folgt Leitlinien. Meine Richtlinien für Anschreiben und Lebenslauf sind absolut bekannt: Das Anschreiben ist ein Briefing und kein Brief. Der Lebenslauf ist eine Leistungsbilanz in Form eines Faktenblatts.
Die Bewerberstory trainiert man so: einfach sich seine Geschichte beim Joggen oder Spazierengehen mehrfach selber erzählen. Aufpassen, dass man dabei nicht anderen Verkehrsteilnehmern in die Quere kommt!
Jedes einzelne Jobinterview will vorbereitet sein: aus dem eigenen Lebenslauf einen Fragenkatalog mit 50 bis 80 Fragen ableiten und durcharbeiten. Ebenso die Standardfragen durchgehen. Verstehensarbeit in Bezug auf die Organisation, ihren Stand, ihre Ziele und die anstehende Aufgabe leisten. Dann dem Jobanbieter den Job erklären.

Welche „Killerphrasen“ sollte ich auf jeden Fall vermeiden?
Beim Anschreiben: jeden Satz, den man aus Web- oder anderen Vorlagen übernimmt.
In der Gesprächs- und Verhandlungsphase: Absichtserklärungen, fromme Wünsche, Belehrungen, Ich-bin-Aussagen und alle Sätze, in denen „leider“, „nicht“ oder „kein“ vorkommen.

Welche Tipps können Sie unseren Lesern noch geben?

  • Handle als Leistungsanbieter
  • Arbeite zu
  • Verstehe deinen Job
  • Sprich nicht schlecht über dich oder andere
  • Kleb an den Fakten
  • Vermeide Ich-bin-Aussagen
  • Beweise deine Loyalität
  • Wirb nicht um Verständnis, wirb um Vertrauen
  • Setze Fürsprecher und Agenten ein
  • Bleib dran

Herzlichen Dank, Herr Winkler für das Interview!

Link zur Webseite von Gerhard Winkler: https://www.jova-nova.com/

Bitte helfen Sie beim Voten!

In welchem Job hätte ich Chancen? In welchen Internetbörsen werde ich in meiner Branche fündig? Wie finde ich wirklich einen neuen Job? Der junge Verein Jobwind e.V. nimmt mit dem Projekt „Speed Coaching für arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen“ an einem Wettbewerb der Sparkasse Bochum teil.

Mit der Aktion „175 Projekte für Bochum“ feiert die Sparkasse Bochum ihren Geburtstag und fördert jeweils 175 Projekte mit 1.750 €. Beim „Speed Coaching“ des Vereins Jobwind e.V. wird im 30-Minuten-Takt beraten. An zwei Aktionstagen erhalten arbeitssuchende Bürger und Bürgerinnen in der Bochumer Innenstadt eine kostenlose Kurzberatung zum Thema Job-Profil, Jobstrategie und Firmensuche. Zwei Wochen nach dem Coaching erhalten sie eine Mail mit konkreten Tipps zur Berufsstrategie der Teilnehmer, zur Firmensuche in der entsprechenden Branche und weitere Hilfestellungen.

Liebe Leser und Leserinnen dieses Blogs: Bitte unterstützen Sie dieses wichtige Projekt, indem Sie unter folgendem Link mit abstimmen: https://www.sparkasse-bochum-175.de/175-projekte/voting/s/p/speed-coaching-fuer-arbeitslose-und-von-arbeitslosigkeit-bedrohte-menschen/. Sie können auch helfen, indem Sie den Link bei Facebook, Xing, Google+ und in anderen Netzwerken posten.
Um das Projekt mit der Förderung der Sparkasse Bochum durchführen zu können, benötigen wir möglichst viele Votings, damit wir mindestens auf Platz 50 kommen. Die gute Nachricht: Bis zum 24. November 12 Uhr kann gevotet werden und das täglich!

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Ihr Reinhard Kröger